Kyusho-Jitsu und Dim-Mak
Dim-Mak ist die älteste dokumentierte Kampfkunst, die sich der Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) in destruktiver Anwendung bedient. Vitalpunkte, die bislang konstruktiv zur Heilung verwendet wurden, werden attackiert, um bewusst den Gegner zu schädigen. Später gelangte diese Kampfkunst von China nach Japan, wo diese unter dem Namen Kyusho-Jitsu trainiert und gelehrt wird und auch in Europa Fuß fassen konnte.
Kyusho-Jitsu / Dim-Mak ist eine faszinierende Kampfkunst,
- die über Vitalpunkte gezielt gegen das somatische und vegetative Nervensystem, gegen spezifische anatomische Schwachstellen und direkt oder indirekt über segmentale Angriffe gegen innere Organe oder Organ-Systeme gerichtet ist („Kunst der Vitalpunkte“); die Techniken – optimiert nach biophysikalischen Gesetzmäßigkeiten – können einen Angreifer blitzartig kampfunfähig machen und / oder chronisch schädigen und sind in beliebige Kampfsportarten integrierbar
- die historisch auf den Prinzipien der TCM basiert und deren Wirkungen auf der Basis moderner neurophysiologischer Erkenntnisse abgeleitet und erklärt werden können; es ist faszinierend, dass heutige wissenschaftliche Erkenntnisse jahrhundertelang bestehende Prinzipien in ihrer Wirksamkeit bestätigen und damit eine Brücke bilden zwischen westlicher und östlicher Medizin
- die aus der Synthese zur Medizin Anleitungen gibt, mehr über sich selbst und seinen Körper zu erfahren, ein neues Körperbewusstsein zu entwickeln und Techniken lehrt, die geeignet sind, die Selbstheilungskräfte wirksam anzuregen
- die im ursprünglichsten Sinn vor allem einen „Weg nach Innen“ eröffnet, eine Suche nach der Einheit von Körper, Geist und Seele mit dem Ziel, ein „heiler, friedvoller Krieger“ zu werden, der nach innerer Harmonie strebt, im Einklang mit der Natur und den Menschen lebt und einen neuen Zugang zu seinem „Inneren“ entdeckt
Leider werden die großartigen Möglichkeiten, die diese Kampfkunst bietet, nur unzureichend umgesetzt. Die Erfahrungen zeigen, dass in der Regel Techniken gezeigt werden, die auf nur wenige Vitalpunkte des menschlichen Körpers beschränkt bleiben und ohne Systematik gelehrt werden, sodass kein tieferes Verständnis dieser Kampfkunst vermittelt wird und es deshalb auch nicht zu einem sinnvollen Transfer der Kyusho-Jitsu / Dim-Mak Prinzipien in andere Kampfsportarten kommt.
Zur Erklärung der Wirkungen, etwa ein blitzartiger K.O. mit Bewußtseinsverlust, werden in der Regel unverstandene Prinzipien der TCM bemüht, an erster Stelle der sog. Zerstörungszyklus der fünf Wandlungs-Phasen, die häufig auch nur als die 5 Elemente bezeichnet werden.
Richtigerweise sind die Elemente jedoch nur einer von vielen Aspekten, die einer Wandlungsphase zugeschrieben werden.
Vor allem aber wird von einer mysteriösen Kraft Qi oder Chi konfabuliert, die sich nur wenigen hohen Meistern erschließen soll, aber von diesen gezielt gegen jeden Gegner in destruktiver Weise eingesetzt werden kann.
Neurophysiologische und (neuro-) anatomische Kenntnisse sind i.d.R. auch bei hohen DAN-Trägern allenfalls rudimentär vorhanden, Segmentanatomie und / oder die Prinzipien der Segment-Akupunktur sind völlig unbekannt. In der Regel werden wissenschaftliche Erklärungsversuche ziemlich rigide abgelehnt, da programmierte „Weltbilder“ scheinbar entmystifiziert und darauf beruhende „Geschäftsmodelle“ unterminiert werden.
Besonders fatal sind auch medizinisch völlig unverantwortliche K.O.-Demonstrationen, die im Internet mit hohen Klickzahlen kursieren und immer wieder auch auf Seminaren und Schulungen gezeigt werden.
Diese K.O.s gefährden nicht nur den „Getroffenen“ in seiner gesundheitlichen Integrität, sondern – weit schlimmer – imponieren gerade dem Klientel, das man gerne von jedem Kampfkunst-Dojo fernhalten möchte.
Unter den gegebenen Umständen kann von einem „Weg nach Innen“, von einer Suche nach der Einheit von Körper, Geist und Seele als erklärtem Ziel des „heilen, friedvollen Kriegers“, keine Rede sein, Lehren in diese Richtung sind kein selbstverständlicher Bestandteil des Trainings.
Vielleicht am Betrüblichsten ist, dass in dieser Kampfkunst die faszinierende Verbindung zwischen Kampfkunst und Heilkunst allenfalls im Ausnahmefall Beachtung findet, obwohl doch völlig klar sein muss, dass die gleichen Punkte, die verheerende Wirkungen auf den Körper haben, wenn sie negativ-destruktiv im Sinne der Kampfkunst attackiert werden, eine gleichwertige Wirkung im Sinne der Heilkunst haben müssen, wenn sie positiv-konstruktiv stimuliert werden.
In unserem Verein Renshi-Dao, ein lockerer Zusammenschluss von Kampfsportlern aus den verschiedensten Kampfkunstdisziplinen, sind wir zunehmend zu der Überzeugung gekommen, dass die heute angebotenen Ausbildungskonzepte, die in der Regel praktisch ausschließlich kampftechnisch angelegt sind, nicht wirklich zufriedenstellend sind.
Konsequenterweise haben wir begonnen, unsere eigenen Curricula zu entwickeln und die Wissensinhalte zu beschreiben, die unserer Meinung nach trainingsbegleitend in der Theorie erarbeitet werden sollten.
Das ist mühsam und beschwerlich, denn es erfordert die Bereitschaft, sich über das routinemäßige Training hinaus intensiv mit Themen auseinanderzusetzen, die selbst einem routinierten Mediziner zunächst fremd und keineswegs selbstverständlich sind.
Aber es lohnt sich, denn erst mit zunehmendem Wissen eröffnet sich die ganze Faszination dieser großartigen Kampfkunst.
Wenn wir uns nun entschließen, die mühsam erworbenen Erkenntnisse der letzten Jahre, auf einer WEB-Plattform jedem Interessierten zur Verfügung zu stellen, dann tun wir das in der Hoffnung, dass sich in Zukunft mehr Kampfsport- und Kampfkunst-Experten finden werden, die bereit sind, sich der mühevollen und intellektuell durchaus anspruchsvollen Arbeit zum Erlernen der Grundlagen und Grundprinzipien unserer Interpretation der Kampfkunst zu unterziehen.
Sollte uns das gelingen, waren die Anstrengungen aller Mühen wert.